Sonntag, 12. November 2017

Sachdienlicher Hinweis...

Es gibt eine Geschichte, an die ich mich immer wieder erinnere, obwohl sie sich schon vor einigen Jahren zugetragen hat. Und jedes Mal, wenn sie mir wieder in den Sinn kommt, muss ich Schmunzeln. Und weil das Wetter heute nicht so prickelnd ist, teile ich die Geschichte mit dem geneigten Leser - vielleicht zaubert sie ja auch auf andere Gesichter ein Lächeln.


Es war ein recht stressiger Tag im Büro gewesen, und insgeheim zählte ich bereits die Minuten bis zum Feierabend. Da klingelt das Telefon. Das ist schlecht. Anrufe, die so knapp vor Feierabend eintrudeln sind meist nicht einfach, und dauern dann oft länger als der eigentliche Arbeitstag.

Eine alte, zittrige Stimme lässt vor meinem inneren Auge sofort das Bild einer kleinen, alten Dame mit weißen Locken und einer dieser alten Klapphandtaschen, wie sie meine Urgroßmutter getragen hat, entstehen.
Umständlich erklärt mir die Dame, dass sie in diesem Krankenhaus aufgenommen war, und nun wider daheim ist. Sie erzählt mir weiter dass ihre Bettnachbarin Besuch von einem Arzt meiner Abteilung bekommen hat. Und weil sie auch Beschwerden hat, und der Arzt so nett gewesen ist, würde sie gerne zu genau diesem Arzt in die Ordination oder Ambulanz kommen.

Grundsätzlich lässt sich herausfinden, welchen Arzt sie meint. Ihre Schilderung bezieht sich auf einen Konsilbesuch, der dokumentiert wird. Allerdings müsste ich wissen, wie die Bettnachbarin der Dame geheißen hat. Den weiß meine Anruferin allerdings nicht - nur dass sie Irmi oder Irmgard (Name geändert) geheißen hat.
Das ist nicht wirklich hilfreich, aber ich habe eine Idee, und so entsteht das folgende Gespräch:

Ich: (einer Eingebung folgend) Wie hat der Arzt denn ausgesehen, der ihre Bettnachbarin besucht hat?

Man kann direkt hören, wie die alte Dame versucht sich zu erinnern...

Patientin: Also er war jung und recht groß...

O.k., das eng die Auswahl ein - möchte man meinen..., allerdings ist es so, dass ältere Herrschaften auch unsere Oberärzte als jung bezeichnen, während ein junger Mensch damit vermutlich nur unsere Assistenzärzte meinen wird.  Noch immer kann ich nur die wenigen Ärztinnen ausschließen, da die Dame von einem "Herrn Doktor" gesprochen hat.

Patientin: ... ach ja. Blond war er.

DAS stellt mich nun vor ein Problem, denn tatsächlich ist es so, dass kein einziger meiner Ärzte groß und blond ist. (Nein, auch nicht klein und blond.) Blonde Haare hat keiner von ihnen.

Ich: (etwas ratlos) Fällt ihnen sonst noch etwas ein, um den Arzt zu beschreiben?

Patientin: (hörbar erfreut, dass ihr noch etwas konkretes eingefallen ist) Ja! Er hat EINEN WEISSEN MANTEL ANGEHABT!
Ich: ......

Leider hat dieser sachdienliche Hinweis nicht den gewünschten Durchbruch in der Ermittlung gebracht und die "SOKO Dr. X" musste ihre Arbeit einstellen.
Ich konnte die Dame aber davon überzeugen, dass sie sich gerne einen Termin in unserer Ambulanz vereinbaren kann, da sie ganz sicher bei allen unseren Ärzten und Ärztinnen gut aufgehoben ist.

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